Hat der Papst Recht, wenn er sagt: Wir brauchen mehr Synodalität, also: zusammenkommen und zuhören?

Ja. Das ist der Ruf Gottes. Wie antworten wir auf diesen Ruf, wie helfen wir der Kirche, immer synodaler zu werden? Nur so kann sie den Glauben heute weitergeben und die Mission der Kirche in der Welt weiterführen. Wir haben die Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils noch nicht abgeschlossen. Und wir haben noch nicht erkannt, dass Synodalität wirklich der Weg nach vorne ist. Natürlich wird die synodale Umgestaltung der Kirche nicht im Oktober abgeschlossen sein. Aber es bleibt der Auftrag an die Kirche, der Weg in die Zukunft.

Hat sich der Aufwand gelohnt, die Zeit und das Geld, was allein das Treffen in Rom gekostet hat?

Die Versammlung im Oktober war ein Schritt in einem längeren Prozess, der im Oktober 2021 begann. Und wir sehen schon die Früchte. Die runden Tische und das Gespräch „im Geiste“ machten es möglich, über alle Themen, mit denen die Kirche konfrontiert ist, auf eine gute Art und Weise zu sprechen, ohne Aggressivität oder Streit. Während der Synode saßen der Bischof von Moskau und ein Bischof aus der Ukraine an einem Tisch. Es waren auch Menschen aus Palästina und Menschen, die Israel nahe stehen, anwesend. Das sind nur zwei Beispiele von vielen. Es ist ein Zeichen, ein sehr kleines Zeichen der Hoffnung für die Welt.

Das gelingt in Rom. Aber auch vor Ort?

Was sich auf lokaler Ebene tut, ist das Wichtigste. Auch die Ortskirchen sind durch diesen Prozess herausgefordert, synodaler zu werden. Ich kann Ihnen ein Beispiel geben: Zu Beginn der Synode haben wir jede Diözese gebeten, einen Synodalreferenten zu benennen, besser noch: ein Team. In vielen Ländern haben Diözesen und Bischofskonferenzen zum ersten Mal ein Team aus Männern und Frauen gebildet, die gleichberechtigt leiten. Und jetzt sagen mir viele Bischöfe: „Die synodalen Teams sind wunderbar. Es gibt großartige Laienfrauen und -männer. Wir sollten viel mehr solcher Teams haben.“ Die Synode eröffnet neue Chancen, und sie ist erfahrungsorientiert. Dadurch kommt man auf den Geschmack, diesen synodalen Stil weiterzuführen.

Frauen haben oft das Gefühl, nicht nach ihren Erfahrungen oder ihrer Meinung gefragt zu werden. Auch das hat die Synode aufbrechen wollen …

Viele Frauen haben das Gefühl, dass sie zu den Gruppen gehören, die an den Rand gedrängt und nicht sehr gut gehört werden. Aber durch die Synode wird ihnen eine Stimme gegeben. Die Frauenfrage war eines der stärksten Themen hier in Rom. Viele Frauen werden in ihrer Gesellschaft so diskriminiert, dass sie wollen, dass die Kirche ein Ort ist, wo Diskriminierung bekämpft wird. Es liegt jetzt auch an jeder Ortskirche, diesen Weg fortzusetzen, damit Frauen in Pfarrgemeinderäte oder Diözesanräte kommen.

Auch Papst Franziskus bringt ja im Vatikan mehr und mehr Frauen in Führungspositionen.

Viele Bischöfe haben seit der Vollversammlung im Oktober die Erfahrung gemacht, dass sie ihr eigenes Amt besser ausüben können, wenn sie sich mit anderen austauschen. Frauen bringen eine andere Perspektive ein. In Frankreich beschloss vor fünf Jahren zum ersten Mal ein Bischof, nicht nur einen Generalvikar zu ernennen – das muss laut Kirchenrecht ein Priester sein – sondern auch eine Frau als Generaldelegierte. Das Team besteht aus dem Bischof, dem Generalvikar und dieser Frau. Inzwischen haben 15 Bischöfe dieses neue Modell der Leitung!

Die Teilnehmer der Synode im letzten Oktober berichteten, dass sie diese Erfahrung einer weltweiten Kirche genossen haben. Warum wird die Weltkirche in Rom so positiv erlebt und vor Ort manchmal so negativ?

Die Kirche ist eine universelle Kirche, aber sie lebt in so vielen verschiedenen Kulturen und Ländern mit unterschiedlicher Geschichte. Man kann zum Beispiel den synodalen Weg der Kirche in Deutschland nicht verstehen, wenn man kein Verständnis für die deutsche Gesellschaft hat. Die Kirche ist immer in einer bestimmten Kultur verwurzelt. Die Synode hat versucht zu verstehen, dass wir eine Kirche mit und durch Vielfalt sein müssen. Aber bei Themen, die die Weltkirche betreffen, können die Katholiken Europas nicht einfach vorpreschen.

Der Umgang mit Homosexualität ist so ein Thema, bei dem man sich kaum einig werden wird, oder?

Sexualität ist eines der Themen, bei denen wir so unterschiedliche Vorstellungen haben, weil sie von der Kultur geprägt sind. In vielen westlichen Staaten wird Homosexualität immer mehr akzeptiert und gesellschaftlich anerkannt. In 30 Ländern Afrikas ist sie immer noch kriminalisiert. Ich sage nicht, dass das gut ist, aber so ist die Situation. Deshalb müssen wir auf die Menschen in Afrika hören und uns bewusst sein, dass die unterschiedlichen Wahrnehmungen dieser Realität kulturell bedingt sind. Wenn westliche Länder über Homosexualität sprechen, empfinden das manche Afrikaner als eine Art Kolonialisierung. Die Hauptfrage in Afrika ist: „Was machen wir mit Menschen in polygamen Ehen?“ Für uns im Westen spielt dieses Thema keine besondere Rolle, obwohl es für viele Ortskirchen in Afrika eine wichtige pastorale Frage darstellt. Daran sieht man, dass bestimmte pastorale Themen stärker auf lokaler Ebene verstanden werden müssen. Jede Ortskirche hat den anderen viel zu geben, aber auch viel zu empfangen.

Wie sieht Ihr Traum einer Kirche der Zukunft aus?

Mein Traum ist, dass die Kirche immer mehr zu einer hörenden, lernenden und missionarischen Kirche wird. Der Kardinal wird der Kardinal bleiben, der Priester ein Priester, die Laiin eine Laiin. Aber es geht darum, wie wir miteinander verbunden sind, um die Mission gemeinsam fortzuführen. Vor jeder Vielfalt sind wir zuallererst Brüder und Schwestern in Christus. Dass wir die Kirche überall in diesem Stil leben können, zusammen als Männer und Frauen – das ist mein Traum.

Interview: Christina Brunner